Piffl Medien

Moderne Zeiten
Die Menschheit auf der Suche nach dem Glück

„Die beiden einzigen lebendenden Geister in einer Welt der Automaten. Sie leben wirklich. Beide besitzen einen ewig jugendlichen Geist und gehorchen keiner Moral. Lebendig, weil wir Kinder sind ohne Verantwortungsgefühl, während der Rest der Menschheit von Pflichten niedergedrückt wird. Wir sind im Geiste frei. Wir bestreiten unseren Lebensunterhalt durch Betteln, Borgen, Stehlen. Zwei fröhliche Geister, die sich mehr oder weniger ehrlich durchs Leben schlagen.“ Charles  Chaplin in einer Skript-Notiz über den Tramp und Gamine in Moderne Zeiten

 

Ein Film von Charles Chaplin 
Mit Charles Chaplin, Paulette Goddard, Henry Bergmann, Allan Garcia, Tiny Sandford, Chester Conklin, Hank Mann, Stanley Blystone
Buch, Regie, Produzent: Charles Chaplin 
Musik: Charles Chaplin; Musikalische Leitung: Alfred Newman; Arrangements: Edward Powell, David Raksin; Regieassistenz Carter Dehaven, Henry Bergman; Kamera Ira H. Morgan, Roland Totheroh; Ton: Frank Maher, Paul Neal; Ausstattung: Charles D. Hall, J. Russel Spencer; Produktion Chaplin-United Artists
USA 1936 | 87 min. | 1.33 | mono

Moderne Zeiten

„Mit dem Erscheinen des Tonfilms waren der Charme und die Sorglosigkeit Hollywoods verschwunden. Über Nacht war aus der Filmproduktion eine kalte, rechnende und ernsthafte Industrie geworden. Die Tontechniker bauten die Ateliers um und installierten komplizierte Aufnahmeapparaturen. Kameras von der Größe eines ganzen Zimmers bewegten sich wie urweltliche Monstren durch die Szenenaufbauten, radioelektische Geräte wurden installiert, die von Tausenden elektrischer Kabel abhingen. Männer mit Kopfhörern, die wie Marsmenschen aussehen, schwebten während der Aufnahmen über den Darstellern wie an Angelschnüren. Das war alles sehr kompliziert und niederdrückend. Wie konnte man noch schöpferisch arbeiten, wenn alle diese technischen Dinge sich um einen häuften?“ Charles Chaplin, Die Geschichte meines Lebens

Synopsis
A story of industry, of individual enterprize – humanity crusading in the pursuit of happiness

Der Tramp in der Fabrik: Im monotonen Rhythmus der Maschine zieht er Schraube um Schraube fest an den unaufhörlich heranrollenden Werkstücken. Dem Fabrikdirektor indes geht es nicht schnell genug. In immer schwindelerregenderem Stakkato fliegt das Fließband an den Arbeitern vorbei, zu schnell für den Tramp. Entfesselt tanzt er durch die Halle, vorbei an Fließband und Kollegen, bis ihn schließlich die gigantische Maschine verschlingt.

Nach der Entlassung aus der Nervenheilanstalt findet sich der Tramp ohne Arbeit auf der Straße wieder. Unversehens gerät er in eine Arbeiterdemonstration und wird als vermeintlicher Rädelsführer verhaftet. Nachdem er im Gefängnis einen Ausbruchsversuch verhindert hat, werden ihm großzügige Vergünstigungen zuteil. Behaglich lebt er nun in seiner Zelle – bis er zu seinem Schrecken vorzeitig entlassen wird.

Zurück auf der Straße wird er Zeuge, wie ein Waisenmädchen ein Brot stiehlt. Er versucht den Verdacht der Verfolger auf sich zu lenken. Vergeblich, das Mädchen wird abgeführt. Der Tramp schlägt sich in einer Cafeteria den Magen voll – nun hat er Erfolg und wird wegen Zechprellerei abgeführt. Auf dem Weg ins Gefängnis trifft er das Mädchen wieder. Gemeinsam glückt ihnen die Flucht. Von nun an sind sie unzertrennlich.

Der Tramp findet einen Job als Kaufhaus-Nachtwächter. Die erste Nacht ist paradiesisch – Essen und Obdach für ihn und das Mädchen. Dann brechen Diebe ins Kaufhaus ein, ehemalige Kollegen aus der Fabrik – und wieder landet der Tramp hinter Gittern. Endlich frei, kommt er mit dem Mädchen in einer Hütte am Hafen unter und findet Arbeit in der neueröffneten Fabrik. Doch schon nach der Mittagspause kommt es zum Streik, die Polizei rückt an. Für den Tramp endet es wie immer.

Unterdessen hat das Mädchen Erfolg als Varieté-Tänzerin. Sie verschafft dem Tramp eine Stelle als singender Kellner. Er bewährt sich glänzend, das Glück scheint zum Greifen nahe. Doch die Jugendbehörde will das Waisenmädchen in Gewahrsam nehmen. Der Tramp verhilft ihr zur Flucht. Gemeinsam wandern sie die Straße entlang, lächelnd einer ungewissen Zukunft entgegen.

Über einige Aspekte von ‚Moderne Zeiten‘

10 Jahre nach Einführung des Tonfilms probte Chaplin für Moderne Zeiten erstmals Dialoge – und gab die Idee wieder auf. Der Tramp blieb stumm und hatte seinen letzten Leinwandauftritt. „Ich wusste, dass ich in den Tonfilmen viel von meiner Eloquenz verlieren würde“, sagte Chaplin 1967 in einem Interview. „Ich würde niemals meinen Tramp wieder auferstehen lassen. Er könnte nicht sprechen – wüsste nicht, was für eine Art Stimme er haben sollte.“

Die Welt hatte sich seit dem ersten Auftauchen des Tramps grundlegend verändert. „Zu jener Zeit teilte und verkörperte er das Leiden der Unterprivilegierten in einer Welt, die sich gerade aus dem 19. Jahrhundert löste“, schreibt der Chaplin-Forscher David Robinson. „In Moderne Zeiten steht der Tramp ganz anderen Herausforderungen gegenüber: In den Nachwehen der Wirtschaftskrise trafen Massenarbeitslosigkeit und die massive Automatisierung in der Industrie zusammen.“

In seiner losen Struktur – fast eine Sammlung von Zweiaktern – erinnert Moderne Zeiten, der letzte Film der Stummfilm-Epoche, an Chaplins Kurzfilme. Das Verbindende liegt im Motiv des gemeinsamen, letztlich fröhlichen Überlebenskampfs der Hauptfiguren: „Die Einzigen, die lebendig geblieben sind in einer Welt von Automaten“, wie Chaplin in einer frühen Skizze notiert. Es sind auch die künstlerischen Herausforderungen von Moderne Zeiten, die den Film bis heute so verblüffend aktuell machen – über die gültige und beglückende Darstellung menschlicher Freiheit im Angesicht übermächtiger Maschinen und Strukturen hinaus: „Ein Film über das Kino, über die Epoche des Kinos“, wie die Brüder Dardenne meinten.

„Man könnte mit einer gewissen Plausibilität behaupten“, schrieb Philippe Soupault schon 1928, „dass Chaplin davon ausgeht, dass die Handlung nicht das Wichtigte an einem Film sei. Dabei war es einer der ersten Irrtümer der Cineasten, dass sie annahmen, das Drehbuch sei von herausragender Bedeutung. Chaplin hat sofort bemerkt, dass die Handlung eines Films sogar eher störend wirken kann und dass sie auf die Dimension einer Skizze reduziert werden muss. (...) Auch hier besteht die große Überlegenheit Chaplins darin, ein für allemal festgestellt zu haben, dass das Kino – anders als das Theater – nicht auf Handlung angewiesen ist, sondern unter diesem Aspekt eher der Malerei oder einer Symphonie gleicht.“

Top

DER GROSSE DIKTATOR

www.der-grosse-diktator.de

 

Der GRosse Diktator