Kinostart: 05.03.2020
Pepe Mujica - Der Präsident
Ein Film von Heidi Specogna
„Wenn ich mich beschreiben sollte, würde ich sagen: Ich bin ein Erdklumpen mit Füßen.“ Pepe Mujica
Portrait über das bewegte Leben von Pepe Mujica - ehemaliger Guerillero, Blumenbauer und heute Präsident von Uruguay.
Zum Film
Pepe Mujica ist als „der ärmste Präsident der Welt“ ein Begriff geworden. Der ehemalige Guerillero und Blumenzüchter gilt als eine der charismatischsten politischen Persönlichkeiten Lateinamerikas. Sein bescheidener Lebensstil und sein unkonventionelles Auftreten im politischen Protokoll machen ihn glaubhaft für jung und alt – nicht nur, weil er mit 10% seines Präsidentengehalts auskommt und den Rest an Projekte und NGOs spendet. Seine politischen Visionen erregen weltweites Aufsehen, zuletzt die spektakuläre Regulierung des Marihuanamarktes.
Die Biographie Pepe Mujicas ist abenteuerlich: Gründungsmitglied der Stadtguerilla „Movimiento de Liberación Nacional Tupamaros“ in den siebziger Jahren, Widerstand gegen die repressive Diktatur des Militärs,Verhaftung, anschließend 14 Jahre meist Einzelhaft in den berüchtigten Foltergefängnissen der Diktatur – zweimal konnte er fliehen, wurde aber wieder gefasst. 1985 Freilassung im Zuge der Amnestie nach dem Ende der Militärdiktatur, Bewirtschaftung eines kleinen Bauernhofs gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Lucía Topolansky, Fortsetzung des politischen Engagements in der aus den Tupamaros hervorgegangenen Partei Movimiento de Participación Popular als Abgeordneter. Von 2005 bis 2008 ist Pepe Mujica Landwirtschaftsminsiter, 2009 wird er als Kandidat des Linksbündnisses Frente Amplio zum Präsidenten Uruguays gewählt. Bei den Präsidentschaftswahlen 2014 tritt er verfassungskonform nicht mehr an, bleibt der Politik aber als streitbarer Senator erhalten – sein Nachfolger Tabaré Vázquez, der am 1. März 2015 vereidigt wird, gehört ebenfalls dem Frente Amplio an-
Die Filmemacherin Heidi Specogna und der Kameramann Rainer Hoffmann haben den heute 80jährigen Pepe Mujica über viele Jahre immer wieder besucht und sein bewegtes Leben mit der Kamera begleitet. 1997 entstand ihr Film „Tupamaros“, der sich auf die Zeit in der Guerilla, die Gefängnisjahre und die Rückkehr ins Leben konzentriert. Ihr neuer Film „Pepe Mujica“ ist das bewegende, Mut machende Porträt eines außergewöhnlichen Menschen, der mit seinem ganzen Leben, seiner Haltung und seinen Visionen vor allem eines zeigt: Dass es auch anders geht.
Pepe Mujica - Der Präsident
Mit Pepe Mujica, Lucia Topolansky
REGIE: Heidi Specogna
KAMERA: Rainer Hoffmann (bvk)
SCHNITT: Kaya Inan
2. KAMERA: Thomas Keller
MUSIK: Hans Koch
TON: Thomas Keller und Ulla Kösterke
REGIEASSISTENZ: Isabel Alvarez
MISCHUNG: Matthias Lempert
SOUND-DESIGN: Kai Tebbel
HERSTELLUNGSLEITUNG: Tina Börner
REDAKTION: Sabine Rollberg (WDR/ARTE)
PRODUZENT: Heino Deckert
Eine Produktion von ma.ja.de. in Koproduktion mit WDR in Zusammenarbeit mit ARTE und SRF. Gefördert durch BKM, DFFF, MDM, MBB. Entwicklung gefördert durch MEDIA
Regiestatement
Es begann mit einem Brief aus Uruguay:
Queridos Cineastas - Liebe Filmemacher. Die Geschichte, die Ihr damals gedreht habt, sowie die Zeit, zu der wir uns begegnet sind – beides hat sich fortgeschrieben, mit vielen Wendungen, wie es eben so ist im Leben. Heute sind es bereits 17 Tage, dass Pepe unser Land regiert. Fast auf den Tag genau vor 25 Jahren hat das uruguayische Volk die Diktatoren aus eben diesem Präsidentenpalast vertrieben. So viel Symbolik, so viel Paradoxes… Habt Ihr nicht Lust und Zeit vorbeizukommen, um die Fortsetzung unserer Geschichte zu erzählen?
A sus órdenes – zu Euren Diensten, wie wir Latinos sagen - und eine Umarmung an alle, von Lucía und Pepe
1995 haben wir einen langen Dokumentarfilm über Pepe Mujica gedreht. Uns interessierte, wie nach dem Ende der Diktatur und der Freilassung der politischen Gefangenen sich aus der ehemaligen Stadtguerilla ein politisches Parteienbündnis formierte. Und wir waren dabei, als dieses seinen ersten Abgeordneten ins Parlament schickte: Auf einem klapprigen Moped tuckerte der Bauer und Blumenzüchter Pepe Mujica zum Regierungspalast im Herzen Montevideos. Mit diesem Einstand begann seine märchenhaft anmutende politische Laufbahn, deren Anfänge wir damals in dem Filmportrait Tupamaros eingefangen haben.
Wir sind über die Jahre mit Pepe und Lucía in Kontakt geblieben. Es gab Briefe, Telefonate, auch Besuche. Als Pepe als Landwirtschaftsminister Europa bereiste, schuf er zwischen zwei Stationen Zeit, um sein altes Filmteam zu sehen.
Mit "Pepe Mujica – Der Präsident" will ich einen zweiten Blick auf unseren Protagonisten werfen. Diesen Film tragen weniger die Fragen nach dem Strom der Geschichte, die ihn geprägt hat, als die Neugierde darauf, wie es Pepe in seinem Amt gelingt, sich treu zu bleiben und trotz vieler Kompromisse das Menschliche nicht aus dem Blick zu verlieren.
Der zweite Blick auf unseren Protagonisten scheint mir ruhiger und auf gewisse Weise offener geworden zu sein. Wir vertrauen der Beobachtung, dem filmischen Begleiten – beides möglich durch eine über viele Jahre gewachsene Beziehung. Und ich ließ mich gerne überraschen von Pepes Findigkeit, aus dem strengen Protokoll auszuscheren – für ihn gleichsam ein neuer Kerker – und mit uns Zeit für ein paar Takte Tango zu finden.
Die Werkzeuge, an die sich seine Hände im Laufe seines Lebens gewöhnten, haben sich verändert. Vom Bauern zum Präsidenten. Ebenso die Accessoires, die Rituale, gar die Sprache. Mich interessierten die kleinen Fluchten, die Pepe sich schafft, um dem jungen Träumer in sich nah zu bleiben.
Der Film "Tupamaros" endet nachdenklich. Das Bild zeigt einen erschöpften Mann, gebeugt, in der Vorhalle des Abgeordnetenhauses, leicht unscharf gedreht. Pepes Stimme klingt brüchig, hell: "Ich weiß nicht, wie lange ich dies hier noch aushalte. Es langweilt mich. Ich bin für diese Arbeit nicht geschaffen. Ich bin ein Bauer und das werde ich immer bleiben." Ein paar Filmschnitte weiter. Pepe sitzt auf seinem Traktor, schmeißt das Ungetüm an. Im Off setzen sich seine Gedanken fort: "Aber bei allem, was ich im Leben tat: Den jungen Träumer in mir habe ich nie verraten."
Dann wühlt sich der Traktor durch den furztrockenen Acker und entfernt sich mit einer Staubwolke. Darüber ein Lied, dann die Abblende.
Im zweiten Blick hat sich alles und doch nichts verändert. Pepe und Lucía wohnen immer noch auf der Chacra – ihrem bescheidenen Bauernhof. Hinter dem Haus breitet sich ein bunt leuchtender Blumenteppich aus: Kornblumen, Ringelblumen, Astern, Sonnenblumen. Jahrelang haben Pepe und Lucía einmal die Woche ihren Moped-Anhänger mit Schnittblumen beladen und sie auf dem Markt von Montevideo feilgeboten. Heute haben sie zwar helfende Hände, aber die beiden arbeiten immer noch tatkräftig auf dem Hof mit. Auch als Präsident und First Lady.