FRANCOFONIA

Kinostart: 03.03.2020

FRANCOFONIA

Ein Film von Alexander Sokurov

„Reich, komplex, provokant“ (Screen Daily): Bei seiner Weltpremiere in Venedig frenetisch gefeiert, erzählt der neue Film von Altmeister Alexander Sokurov zwischen Fiktion und Dokumentation von der Rettung der Louvre-Schätze vor dem deutschen Zugriff im Zweiten Weltkrieg. Eine traumhafte Meditation über Geschichte, Krieg und Kunst, Menschlichkeit und Ästhetik.

Zum Film

Der Louvre zur Zeit der deutschen Besatzung: Direktor Jacques Jaujard bekommt es mit Franziskus Graf Wolff-Metternich zu tun, Leiter des sogenannten “Kunstschutzes” der Wehrmacht – Kontrahenten, aus denen mehr und mehr Komplizen bei der Rettung der Schätze des Museums vor dem Zugriff der Nazi-Invasoren werden. Mit dem Gravitationszentrum dieser wundersamen Geschichte entfaltet Alexander Sokurov (FAUST, RUSSIAN ARK) in Bildern von suggestiver Schönheit, mit überraschenden Sequenzen zwischen historischer Verortung und traumhafter Assoziation eine betörende, sich souverän in Raum und Zeit bewegende Meditation über Kunst und Macht, Geschichte und Schönheit. FRANCOFONIA lässt uns auf unnachahmliche Weise erleben, dass ein Museum unendlich viel mehr ist als ein Ort zur Aufbewahrung von Kunstexponaten. Vor dem Hintergrund der Geschichte des Louvre und seiner Kunstwerke setzt Sokurov mit dem meisterhaften Einsatz unterschiedlichster filmischer und erzählerischer Mittel seine einzigartige, vielschichte, eigensinnige Vision in Szene: Der Louvre wird zum lebendigen Beispiel dafür, was die Kunst – inmitten des zerstörerischsten Krieges, den die die Welt erlebt hat – uns über uns selbst erzählt.

Bei der Entstehung von FRANCOFONIA konnte Alexander Sokurow auf den vielfach preisgekrönten und OSCAR»-nominierten Kameramann Bruno Delbonnel (INSIDE LLEWYN DAVIS, FAUST, AMÉLIE) zählen – und die bedingungslose Unterstützung des Museums mit unbeschränktem Zugang zu seinen Räumen. Der Louvre und seine Kunstwerke sind hier nicht Kulisse, sie werden zu Protagonisten im Dialog mit dem Regisseur, mit seinem, mit sich selbst, mit uns – und nicht zuletzt mit den Geistern, die hier durch die Räume des Louvre wandern: Napoleon und Marianne im Spannungsfeld von Geschichte und Kunst, Macht und Freiheit.

FRANCOFONIA

Mit Louis-Do de Lencquesaing, Benjamin Utzerath u.a.

Buch und Regie: Alexander Sokurov
Kamera: Bruno Delbonnel
Schnitt: Alexei Jankowski, Hansjörg Weissbrich
Musik: Murat Kabardokov
Produzenten Pierre Olivier Bardet, Thomas Kufus, Els Vandevorst
Produktion: Idéale Audience, zero one film, N279
Koproduktion Arte France Cinema, Musée du Louvre

Pressestimmen

Kühn und souverän, ein faszinierender Essay, eine Meditation über Kunst, Geschichte und die Idee der Menschheit von sich selbst. Mit diesem raffinierten, komplexen, komplett fesselnden Film hat Alexander Sokurov nach Russian Ark erneut eine traumhafte Nacht im Museum geschaffen, eine cineastisches Prosagedicht, das Wochenschau-Material mit geisterhaft schwebenden Bildern von den Straßen des heutigen Paris und inszenierten Spielszenen verwebt. Marianne sitzt neben Napoleon und betrachtet eingehend die Mona Lisa – was für ein Luxus, das ohne Besuchermassen tun zu können! THE GUARDIAN

Ein wundersamer Film, philosophische Erzählung, Dokumentation, Wiederaufleben, Träumerei. Sokurov hat eine melancholisches, lyrisches Gedicht geschaffen. LE NOUVEL OBSERVATEUR

Ein unberechenbarer, funkelnder Film, abwechselnd düster und komödiantisch: Ausschnitte aus deutschen Wochenschauen können bruchlos in Spielfilmszenen übergehen, Paris-Postkarten beleben sich, selbst die französischen National-Ikonen Marianne und Napoleon springen aus den Bildern und beginnen Dialoge mit ihrem Regisseur zu führen. Mühelos gelingt es Sokurow, Dokubilder oder recherchiertes Material mit reiner Fiktion zu vermischen und von dort wieder in abstrakte Reflexion zu wechseln... Es bleibt ein schwieriges Geschäft, “die Kunst über den Ozean der Zeit zu schleppen”, wie es in Francofonia einmal heißt. Sokurovs Essayfilm ist, so betrachtet, ein sehr europäisches Panorama – genau das richtige Format für ein Museum wie den Louvre. DER STANDARD

Ein frei flottierender, poetischer Essay, sehr persönlich und betörend. Sokurov und Bruno Delbonnel haben eine reichhaltige und vielfältige Palette von Texturen und Tönungen entworfen, die ständig für neue visuelle Überraschungen sorgt. VARIETY

Wenn es das Genre des Essays im heutigen Kino nicht mehr gibt – Sokurov erfindet es mit diesem freien Umherwandern in Zeit und Raum neu. Mit diesem poetischen, meisterhaft gemachten Film bringt Sokurov zum Leuchten, was die Schnittstelle zwischen den Epochen und Menschen, den Ländern und Empfindungen ist: die Kunst als lingua franca der westlichen Zivilisation. LES INROCKS

Eine aberwitzige Nacht im Museum ... Francofonia ist weniger ein Sequel von Russian Ark als eine Art von Antwort. Sokurovs Ideen und Gedanken haben eine philosophische Tiefe und einen Reichtum, wie sie im heutigen Kino sonst kaum gefunden werden. Wenn er uns einen pinkfarbenen Finger zeigt, der sich nach der Hand einer Marmorstatue streckt, können wir fühlen, wie die Zeit selbst kurzgeschlossen wird. THE TELEGRAPH

Regiestatement

ANMERKUNGEN VON ALEXANDER SOKUROV


DIE ARCHEN
Was wäre Paris ohne den Louvre? Oder Russland ohne die Eremitage? Stellen wir uns vor, eine Arche auf dem Meer, beladen mit Menschen und großartigen Kunstwerken – Büchern, Bildern, Musik, Skulpturen, noch mehr Büchern, Musikaufnahmen und mehr. Das Holz der Arche ist nicht widerstandsfähig, und es gibt einen Riss. Was werden wir retten? Die lebendigen Menschen? Oder die stummen, unersetzlichen Zeugnisse der Vergangenheit? FRANCOFONIA ist ein Requiem für das, was untergegangen ist, eine Hymne auf den menschlichen Mut und Geist, auf alles, was die Menschheit eint.

EINE WELT INNERHALB EINER WELT
Die Museumsgemeinde ist vermutlich der stabilste Teil der kulturellen Welt. Was wären wir ohne Museen? Museen zeigen uns, dass es einmal eine große und herrliche Kultur gab – deutlich größer und klüger als alles, was wir heute erschaffen können. Das Niveau des Louvre, der Eremitage, des Prado und des British Museum erschien mir immer schwindelerregend hoch. Ich besuchte die Eremitage zum ersten Mal im Alter von 27 Jahren. Das war sehr spät, doch ich hatte keine andere Gelegenheit, da ich aus einer sehr einfachen Familie komme und von sehr einfacher Herkunft bin.

DIE EREMITAGE
Als ich damals erfuhr, dass man uns die Erlaubnis erteilt hatte, RUSSIAN ARK in der Eremitage zu drehen, war ich berauscht von den Möglichkeiten. Ich war buchstäblich berauscht davon, dass die Eremitage und Mikhail Piotrovsky mich und das Team so gut behandelten. Ich war glücklich, dort arbeiten zu dürfen, und es schien mir, dass wir unter diesen Bedingungen eine Hymne auf diese Welt erschaffen könnten. Das Museum ist eine Welt innerhalb der Welt. Indem wir Filme in und über Museen machen, laden wir Menschen aus unterschiedlichen Kulturen zur Begegnung mit diesen originalen Kunstwerken ein.

DER LOUVRE
Ich war sofort begeistert, als sich die Gelegenheit ergab, im Louvre zu drehen. Für mich war dies eine Rückkehr zu meinem Traum, einen Zyklus von Kunstfilmen mit der Eremitage, dem Louvre, dem Prado und dem British Museum zu machen. Es war wunderbar, dass die Leitung des Louvre so begeistert auf unser Vorhaben reagierte. Und es war die reine Freude, die Gelegenheit zu haben, mit meinem außergewöhnlichen und berühmten Kollegen, dem großen Künstler und Kameramann Bruno Delbonnel zu arbeiten. Diese Kombination an Umständen ist ein Wunder an sich.

NAZISOLDATEN IM LOUVRE
Der Anblick von Nazisoldaten in den Galerien des Louvre wirkt auf die Leute verstörend. Diese Soldaten in einem Tempel der Kunst? Ein Paradox? Doch warum sollte das ein Paradox sein? Soldaten sind menschliche Wesen, sie tragen nur Stiefel und Helme. Tatsächlich waren die Galerien des Louvre leer in der Zeit der Okkupation. Ihre Kunstwerke waren schon einige Zeit davor entfernt und versteckt worden. Die Menschen ahnten, dass es einen Zweiten Weltkrieg geben würde, in den ganz Europa involviert werden würde. In Leningrad, Paris und London suchten die Menschen nach Schutzräumen – nach Löchern im Boden, Zufluchtsstätten, dicken Mauern und Räumen tief unter der Erde – um Kunstwerke zu verstecken. Die Menschen begannen zu verstehen: Wenn wir untergehen, wird auch unsere Kunst untergehen – unsere Hoffnungen, unsere Gebete, unser Gott.

DIE BOMBARDIERUNG VON PARIS
Paris, die Stadt der Museen und einer fest verwurzelten humanistischen Kultur, die kulturelle Hauptstadt der Alten Welt. Wenn Paris im Zweiten Weltkrieg bombardiert worden wäre, was hätte das für uns bedeutet? Das Ende aller Dinge, ein irreparables Ereignis, eine Abwendung vom Leben. Seltsamerweise passierte es nicht. Alles andere wurde bombardiert und brannte, Soldaten plünderten und Militärlaster transportierten die Kriegsbeute weg. Überall geschah das, nur nicht in Paris. Paris war eine rettende Oase. Auf alten Fotos aus der Zeit der deutschen Okkupation sehen wir Soldaten im Café oder auf dem Weg ins Theater, junge Frauen und Männer auf den Straßen, die spazieren gehen oder Fahrrad fahren. Es schien, als sei der Frieden, der herrliche Frieden, ausgebrochen.

JACQUES JAUJARD & FRANZ GRAF WOLFF-METTERNICH
Wenn man sich die Dokumente aus dieser Zeit ansieht, stechen zwei Personen unmittelbar hervor: Jacques Jaujard, der Direktor des Louvre, und Franz Graf Wolff-Metternich, einer der Repräsentanten der Besetzungsmacht. Es scheint zunächst so, als seien sie Feinde gewesen, doch nach und nach wird deutlich, dass sie keine Feinde waren, sondern viel gemeinsam hatten. Ihr Kennenlernen, ihre Konfrontation und ihre Zusammenarbeit im Zweiten Weltkrieg bilden den Hauptteil von FRANCOFONIA. Diese zwei außergewöhnlichen Persönlichkeiten, fast gleichaltrig, hatten dieselbe Berufung: Sie wollten Kunstwerke schützen und erhalten. Wer waren diese zwei Männer, und wen repräsentierten sie als humanistische hohe Verwaltungsbeamte? Durch welche praktischen Initiativen gelang es ihnen, die Kunstwerke zu verteidigen? Ist es unter den Umständen eines unbarmherzigen Krieges möglich, humanistische Werte zu verteidigen? Selbst in den schwierigsten Phasen des Krieges gelang es diesen beiden – nicht einmal besonders einflussreichen – Männern, die Aggression aufzuhalten und die großartige Kunstsammlung des Louvre zu bewahren. Wie groß ist unser Bedauern darüber, dass nichts Vergleichbares in der Sowjetunion, in Polen und im restlichen Osteuropa passierte?

EIN WEG, DEN WIR ALLE GEGANGEN SIND
FRANCOFONIA ist kein historischer Film im klassischen Sinne. Mir geht es hier nicht um eine wissenschaftliche Annäherung, auch wenn es mir sehr wichtig ist, dass die historischen Fakten im Detail stimmen. Ich hatte kein politisches Anliegen, sondern ein eher künstlerisches. Genauer gesagt: Ich wollte ein Bewusstsein vermitteln, ein Gefühl für eine Zeit, für deren Intonation und Sprache, anhand der Biographien meiner Figuren – Menschen mit jeweils eigenen, besonderen Lebensumständen, Menschen, die für den Schutz der Kultur und Kunst kämpften, indem sie die sie bedrängenden Gegebenheiten und Schwierigkeiten bewältigten.

Vor meinem gedanklichen Auge erschien mir dieser Film wie ein Weg, ein Weg, den wir alle gegangen sind und wieder gehen werden, ein Weg, den unsere Mitreisenden neben uns verstehen und nachempfinden können. Ein Weg, der es uns ermöglicht, zwischen der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auf unsere eigene und individuelle Art und Weise zu wechseln, einzig gelenkt durch Gedanken, Reflexionen und Assoziationen. FRANCOFONIA ist nicht chronologisch geordnet, sondern eher eine Collage, die oft den Wendungen eines sich stetig verändernden gedanklichen Prozesses folgt.

EIN SCHIFF IM STURM
In FRANCOFONIA korrespondiert der Autor mit seinem Freund, der sich auf einem Schiff befindet, das eine wichtige Sammlung von Museumskunst transportiert. Dass das Schiff gegen den Sturm ankämpft, hat – wie das Schicksal in seiner reinsten Form – etwas Unausweichliches: Es kommt, wie es kommen muss. Man könnte vermuten, dass das Schiff dem Sturm hätte ausweichen können, aber aus unerklärlichen Gründen hat es nicht abgedreht oder konnte das vielleicht nicht. Die Container versinken im Meer. Die Auseinandersetzung, der Dialog zwischen dem Freund an Bord des Schiffes und dem Autor in seinem Zuhause ist eine gedankliche Handlung, ein Bewusstseinsstrom.

KUNST UND GESCHICHTE
Wenn wir Kunst berühren, berühren wir zwangsläufig auch Geschichte. Die Kunst ist mit der Geschichte, dem geschichtlichen Prozess, derart verknüpft, dass die Geschichte bedauerlicherweise einen zerstörerischen Einfluss auf die Kunst hat. Es wäre schön, wenn man die Kunst von der Geschichte trennen könnte, doch das ist unmöglich... Die Charaktere sind ein Teil dieser Geschichte und ein Teil des Lebens. Napoleon und Marianne sind für mich weder normale noch symbolische Figuren. Für mich sind es lebendige Charaktere. Alle Geister sind lebendig, wenn sie existieren. Und ich glaube an die Existenz von Geistern und allen Wesen, die Häuser bewohnen.

FRANCOFONIA
Ich mochte den Klang von „Francofonia“, den Ton. So wie Musik einen Film durchdringt. Der Titel “Francofonia“ erzählt etwas darüber, wonach ich gesucht habe, er evoziert eine französische Betonung, wobei Deutsch und Russisch auch ihren Platz in dem Film haben.

DOKUMENTATION UND FIKTION
Unsere Herausforderung war es, das von uns Gefilmte mit dem Archivmaterial in einem künstlerischen Gebilde zusammenzubringen. Wir mussten das Archivmaterial von den erfundenen, künstlichen Bildern befreien. Alles, was von Paris in der Zeit der Okkupation zu sehen ist, ist zu hundert Prozent fiktional. Die Menschen auf der Straße, in den Cafés – das ist absolutes Erzählkino. Dasselbe taten wir, als wir den Louvre vom Dach aus filmten. Das war eher ein Kunstprojekt als eine Dokumentation. Aber hinter jedem dokumentarischen Bild steckt künstlerisches Bemühen. Das ist unvermeidlich. Es ist kein Zufall, dass viele Dokumentarfilmer Erzählkino machen wollen. All dies ist an demselben Platz in der Realität verortet. Wir können das Material, das wir filmen oder über das wir verfügen, künstlerisch oder mit einer formalen, nicht-künstlerischen Haltung behandeln.

EIN SCHÜLER
Es scheint mir noch immer so, dass alles, was ich tue, fehlerhaft sei. Mein Verhältnis zum Film ist das eines Schülers. Ich bin ein Schüler in diesem Prozess. Ich lerne von denen, von denen ich lernen kann. Und diese Filme sind wie Unterricht für mich. Dank meinen wunderbaren, erfundenen Lehrern versuche ich, den Unterricht zu absolvieren und Prüfungen und Tests zu bestehen. Das Ergebnis all dessen ist mir nicht bekannt.

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